In Weer im Tiroler Unterinntal wurde bereits im 8. Jahrhundert die erste Steinkirche errichtet. Vielleicht gehörte sie als Eigenkirche zu einem großen Gutshof, vielleicht diente sie aber auch als Hospizkapelle, denn Weer liegt an einer alten Handels-, Heer- und Pilgerstraße. Lange Zeit war die Weerer Kirche eine Filiale der Inntaler Urpfarrei Kolsass; erst nach dem Zweiten Weltkrieg wurde sie selbständig.
Kirchenpatron von Weer ist Sankt Gallus. Die karolingische Kirche, deren Grundmauern bei archäologischen Grabungen im Jahr 1991 entdeckt wurden, dürfte allerdings noch ein anderes Patrozinium gehabt haben. Es ist jedenfalls kaum vorstellbar, dass schon im 8. Jahrhundert Gallusreliquien nach Weer gelangt sein könnten, hatte doch das Kloster St.Gallen damals keinerlei Einfluss oder Beziehungen in dieser Gegend. Das Galluspatrozinium dürfte eher auf das Benediktinerkloster St. Georgenberg (heute in Fiecht) zurückzuführen sein, dem die Pfarrei Kolsass – und damit auch die Filiale Weer – im Jahr 1265 inkorporiert wurde. Dieses im 10. Jahrhundert entstandene Kloster verfügte über einen enormen Reliquienschatz, darunter auch solche des heiligen Gallus, die möglicherweise um die Regierungszeit Kaiser Heinrichs IV. (1084–1105) nach St. Georgenberg gelangten.
Die Archäologen und Bauforscher konnten anlässlich der Ausgrabungen von 1991 insgesamt sechs Bauphasen der Weerer Kirche nachweisen. Die älteste Steinkirche aus dem 8. Jahrhundert (Phase 1) wurde – wohl nach einem Brand – im 10. Jahrhundert renoviert (Phase 2). Im 12. Jahrhundert entstand über dem frühmittelalterlichen Bau eine vollständig neue, romanische Kirche (Phase 3). Diese wurde im 14. Jahrhundert wieder vollständig abgetragen und durch einen neuen, fast doppelt so großen gotischen Bau ersetzt (Phase 4). Im Rahmen dieses Neubaus, der bereits in die St. Georgenberger Zeit fällt, könnte auch der Patrozinienwechsel zu Sankt Gallus stattgefunden haben.
Im 15. Jahrhundert nahm die Bevölkerung von Weer zu, und das Dorf gelangte zu einem gewissen Wohlstand. Am Weerbach entstanden zahlreiche Schmelzhütten, in denen das im nahe gelegenen Schwaz abgebaute Silber verhüttet wurde. Mit dem Dorf entwickelte sich auch die geistliche Versorgung der Bevölkerung. Weer erhielt in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts wichtige kirchliche Privilegien zugesprochen, 1491 beispielsweise einen eigenen Kaplan. Dieser durfte an jedem dritten Sonntag eine Messe in der Sankt Gallus-Kirche feiern, an den übrigen Sonntagen mussten die Weerer den Gottesdienst aber weiterhin in der Pfarrkirche von Kolsass besuchen. Mit der Errichtung der Kaplanei gingen erneute Bautätigkeiten an der Weerer Sankt Gallus-Kirche einher. Um 1500 entstanden ein neuer Chor und ein neuer, hoher Turm (Phase 5), die bis heute erhalten geblieben sind.
Die letzte Bauphase (6) nahmen die Weerer 1778 in Angriff. Dabei bauten sie ihre Sankt Gallus-Kirche praktisch neu auf, nur der Chorbereich sowie der Kirchturm aus der Zeit um 1500 wurden übernommen. Die Bevölkerung scheute weder Mühe noch Kosten. Das neue Gotteshaus erhielt eine prächtige Rokoko-Ausstattung, die uns auch heute noch in ehrfürchtiges Staunen versetzt. Die Altarblätter und Fresken, die aus dem Leben des Kirchenpatrons Gallus erzählen, stammen vom Reuttener Maler Franz Anton Zeiller (1716–1794). Am 5. Juli 1781 weihte der Fürsterzbischof von Brixen, Joseph Graf von Spaur, die neue Weerer Sankt Gallus-Kirche.
Sowohl im Ersten wie auch im Zweiten Weltkrieg verlor das Gotteshaus seine Glocken. Sie wurden abtransportiert und eingeschmolzen. Wenige Wochen nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs sprengten amerikanische Truppen bei Weer eine Tonne Dynamit. Ziel dieser Aktion war es, den gefährlichen Sprengstoff unschädlich zu machen, doch richtete die gewaltige Detonation an der Kirche ziemlichen Schaden an: Fenster, Dach und Fresken wurden teilweise stark beschädigt.
Nach dem Krieg wurde Weer, das seit frühester Zeit zur Pfarrei Kolsass gehört hatte, zur selbständigen Pfarrei erhoben. Seit 1954 ist die Sankt Gallus-Kirche von Weer eine Pfarrkirche. 1987–1992 wurde das Gotteshaus umfassend restauriert, wobei auch archäologische und baugeschichtliche Untersuchungen durchgeführt wurden. Diese brachten das unerwartet hohe Alter der Kirche an den Tag.