Neben Sankt Gallus von St.Gallen werden in der Kirche zwei weitere Heilige mit dem Namen Gallus verehrt. Beide lebten im frühen Mittelalter und bekleideten das Amt eines Bischofs von Clermont, heute Clermont-Ferrand in der französischen Auvergne.
Gallus I. von Clermont lebte von ca. 486 bis 551. Er war ein Onkel Gregors von Tours, des bedeutendsten Geschichtsschreibers und Hagiographen der damaligen Zeit. Diesem Gregor von Tours verdanken wir eine Lebensbeschreibung von Gallus I., dessen Gedenktag die Kirche am 1. Juli begeht.
Gallus II. von Clermont wurde um das Jahr 650 zum Bischof gewählt; er ist also noch ein Zeitgenosse des Iren Gallus. Gallus II. von Clermont führte zwischen 630 und 650 einen Briefwechsel mit dem heiligen Didier von Cahors, der lange Zeit dem ›St.Galler‹ Gallus zugeschrieben wurde. Gedenktag von Gallus II. von Clermont ist der 1. November.
Die Verehrung der heiligen Bischöfe Gallus I. und Gallus II. von Clermont als Kirchenpatrone beschränkt sich vor allem auf die Kirchenprovinz Clermont sowie die angrenzenden Bistümer in Zentralfrankreich. Die Unterscheidung der beiden Heiligen fällt nicht leicht, häufiger dürfte allerdings das Patrozinium des bekannteren Gallus I. sein. Verwechslungen der zwei Bischöfe mit dem Iren Gallus sind aufgrund der unterschiedlichen geographischen Verteilung ihres Kults eher selten anzutreffen. Nur in Saint-Gal-sur-Sioule im französischen Département Puy-de-Dôme wird neben dem Bischof (Gallus I. von Clermont) gelegentlich auch der Abt (Gallus von St.Gallen) als Kirchenpatron genannt.
Vita von Gallus I. von Clermont
Gregor von Tours (538–594) hat uns eine Lebensbeschreibung des heiligen Bischofs Gallus I. von Clermont überliefert. Hier finden Sie zwei unterschiedliche Übertragungen dieser Vita ins Deutsche.
Text nach P. Matthäus Vogel’s Legende der Heiligen auf alle Tage und Festzeiten des ganzen Jahres.
Gallus I. von Clermont – Gedenktag ist der 1. Juli
Gregor von Tours erzählt und rühmt uns das Leben des heiligen Gallus in diesen Hauptzügen:
Zu Clermont wohnte eine Familie, angesehen vor Vielen im Lande. Georgius, der Vater, bekleidete eine der vornehmsten Ratsstellen; Leokadia, die Mutter, stammte aus dem berühmten Geschlechte des Vectius Pagatus, eines Römers, der in der Christenverfolgung zu Lyon die Marterkrone erhielt, wie es Eusebius in seiner Kirchengeschichte bezeugt. Georgius und Leokadia hatten einen Sohn mit dem Namen Gallus, dem sie eine vortreffliche Erziehung zu Teil werden ließen.
Dieser Gallus war von Kindheit an Gott ergeben und eifrig im Gebete. Als er die erwachsen wurde, bewarben sich die Eltern um ein Amt für ihn und gedachten ihn zugleich mit einer Senatorstochter zu vermählen. Doch der Sinn des Jünglings stand nicht nach Würden und weltlichen Freuden. Darum verließ er heimlich das väterliche Haus und begab sich in das Kloster Cournon, das ungefähr drei Stunden von Clermont entfernt war. Von hier aus ließ er durch den Abt die Bitte an seine Eltern stellen, sie möchten ihm gestatten, den irdischen Gütern zu entsagen und ein Jünger Jesu zu werden. Der Vater gab die Antwort: »Mit betrübten Herzen sehe ich meinen Erstgeborenen von mir scheiden; aber wenn es Gott gefällt, ihn zu seinem Dienste aufzunehmen, so geschehe vielmehr der Wille des Herrn, als der meine.«
Sonach legte Gallus die Gelübde ab und zeichnete sich bald vor allen anderen Brüdern aus durch seinen Hang zur Abtötung und seinen Eifer in allen gottseligen Übungen. Seine Frömmigkeit und sein einnehmendes Betragen gewannen ihm die Liebe der ganzen Gemeinschaft. Im Chorgesange bezauberte er jeden, der ihn hörte, durch den Wohlklang seiner Stimme. der Heilige Quintian, Bischof von Clermont, fand so großes Gefallen an ihm, dass er ihn in seinen besonderen Dienst nahm und zum Diakon weihte.
Bald danach berief Theodorich, König von Austrasien, Gallus an seinen Hof und behielt ihn daselbst bis zum Jahre 527. Er behandelte ihn wie das Kind im Hause, wollte ihn immer an der Seite haben und nahm ihn auch auf seinen Reisen als Gesellschafter mit. So kam der Heilige nach Köln, wo noch ein prunkvoller Götzentempel stand. Es war gerade die Zeit eines Opferfestes, und das Volk überließ sich beim Mahle der maßlosesten Völlerei. Solcher Gräuel ging dem Mann Gottes tief zu Herzen, und er ereiferte sich dermaßen, dass er Feuer in den Tempel warf, so dass dieser samt den Götzenbildern verbrannte. Die wütenden Heiden suchten ihn auf und wollten ihn ermorden; aber er hatte in der königlichen Burg eine sichere Zufluchtsstätte gefunden. Um diese Zeit starb der heilige Quintian, und die Gemeinde von Clermont begehrte einstimmig Gallus zu seinem Nachfolger. So wurde dieser auf den Bischofstuhl erhoben und glänzte auf demselben durch die Tugenden eines wahren Oberhirten.
Vor allem bewunderte man an ihm die Geduld in Ertragung der Unbilden. Als ein aufbrausender Mensch ihm einen Streich auf das Haupt versetzte, äußerte er nicht die mindeste Gemütsbewegung, sondern ertrug stillschweigend die ihm zugefügte Schmach und entwaffnete durch seine Sanftmut den Grimm desjenigen, der ihn misshandelt hatte. Evodius, früher Senator, dann Priester, vergaß sich eines Tages so sehr, dass er seinen Bischof mit Schimpfworten überschüttete. Gallus schwieg, als hätte er gar nichts gehört, und ging seiner Wege. Dieses Schweigen erschütterte den Lästerer mehr als die schärfste Gegenrede. Beschämt eilte er dem Heiligen nach, fiel ihm auf offener Straße zu Füßen und bat ihn um Verzeihung, die ihm auch bereitwillig erteilt wurde. Von dieser Zeit an lebten beide im besten Einvernehmen.
Selber im höchsten Grade demütig, suchte Gallus diese Tugend auch bei seinen Untergebenen zu pflegen. Er hatte einen gewissen Valentinian zum Kirchendienste aufgenommen, der, stolz auf seine schöne Stimme, sich mit ihr in der Kirche brüsten wollte. Gallus merkte, dass sein Diakon weniger zur Ehre Gottes als aus Eitelkeit sang, und sprach zu ihm: »Heute wird es dir nicht gelingen!« Und so war es auch. Dem Ruhmsüchtigen versagte plötzlich die Stimme, und er musste beschämt abtreten.
Gott verherrlichte seinen Diener auch mit der Wundergabe. Einst war Feuer in der Stadt ausgebrochen, und Gallus hielt durch sein Gebet die rasenden Flammen auf, welche notwendig alles in Asche hätten legen müssen. Ein andermal befreite er durch dasselbe Mittel seine Herde von einer ansteckenden Krankheit, die in den Nachbarprovinzen große Verwüstungen anrichtete. Nachdem er fünfundzwanzig Jahre seinem Bistum mit größtem Eifer vorgestanden hatte, rief ihn Gott zu sich, um ihm die Krone der Gerechtigkeit zu verleihen. Seine letzte Krankheit war sehr schmerzlich; aber er zeigte auch hier seine gewohnte Geduld und Stärke. Drei Tage vor seinem Ende nahm er noch alle Kräfte zusammen und teilte in seinem Zimmer den Gläubigen das heilige Abendmahl aus. Er starb um das Jahr 553 in einem Alter von ungefähr fünfundsechzig Jahren.
Zu Clermont verehrt man am ersten November noch einen andern heiligen Gallus, der Zweite genannt, welcher im Jahre 650 Bischof dieser Stadt geworden war.
Text nach: Michael Sintzel, Leben und Thaten der Heiligen, Bd. 3, Augsburg 1840.
Der heilige Bischof Gallus (im 6. Jahrhundert)
Der heilige Gregor von Tours erzählt und rühmt uns im Buch des Lebens der Altväter vom Leben des heiligen Gallus, Bischofs von Clermont, in diesen Hauptzügen:
»Zu Clermont wohnte eine Familie, ansehnlich vor vielen im Lande. Georgius, der Vater, bekleidete eine der vornehmsten Ratsstellen; Leokadia, die Mutter, stammte aus dem berühmten Geschlecht des Vectius Pagatus, eines Römers, der in der Christenverfolgung zu Lyon die Marterkrone erhielt, wie die Christenverfolgung des Eusebius bezeugt. Diese hatten einen Sohn Namens Gallus und gaben ihm eine vortreffliche Erziehung.
Dieser Gallus war von Kindheit an Gott ergeben, liebte ihn von ganzer Seele, suchte und tat nur, was seinem Schöpfer wohlgefällig war. Da er mit Zunahme des Alters das Vorhaben des Vaters, ihn zu verehelichen, erkannte, obschon alles dem Stande und Charakter gemäß eingeleitet war, entfloh er, von einem Knaben begleitet, nach dem Kloster Cournon, das etwa sechs Meilen von der Stadt entfernt lag und bat um die Aufnahme. Der Abt erkannte aus dem ganzen Benehmen des Jünglings, dass eine große Seele sich hier offenbare und fragte nach dessen Namen und Herkunft, worauf er sogleich zu seinem Vater hinschickte, um das Ansuchen des Sohnes zu berichten und von ihm eine Willenserklärung auszubitten. Der Vater gab mit betrübtem Herzen die Antwort: »Was mein Herz dabei empfinde, das lässt sich denken; ich hoffte von ihm der Erstgeburt wegen die Verheiratung und die Fortpflanzung meines Stammes. Wenn es aber Gott gefällt, den Sohn zu seinem Dienste aufzunehmen, so geschehe vielmehr der Wille des Herrn, als der meine.« Dies ist also meine Erklärung: »Tut das, was mein Sohn aus Antrieb Gottes von Euch verlangt.« So wurde Gallus ins Kloster aufgenommen.
Hier zeigte sich gar bald die kindlich fromme Seele. Seine Lust war an dem Herrn, den zu suchen und zu lieben er entweder betete, oder zur Erbauung und Belehrung den Büchern oblag. Die Furcht vor Sünde war so groß, dass er sich nicht einmal einen jugendlichen Scherz erlaubte. Für Bewahrung der Keuschheit zeigte er solche Sorgfalt und Manneskraft, als stände er im Greisenalter. Die Selbstbeherrschung ordnete seine Lebensweise nach innen und außen dergestalt, dass man keine verkehrte Neigung oder auch nur Verletzung des Wohlanstandes an ihm bemerkte. Beim Genuss der Nahrung enthielt er sich neben dem öftern Fasten auch noch von mancherlei Speisen. Solcher Liebenswürdigkeit öffneten und freuten sich alle Herzen. Auch aller Ohren wurden sanft berührt durch den Wohlklang seiner Stimme, in der sich die Andacht und innere Heiterkeit der Seele ergoss. Einst kam der fromme Bischof Quintian ins Kloster, sah den Jüngling, hörte ihn singen und gewann ihn so lieb, dass er ihn nimmer im Kloster lassen wollte, sondern mit sich nach Clermont zurückführte, ihn zum Diakon weihte und zum Kirchendienst auferzog, wie ein geistlicher Vater sein liebstes Kind.
Die allgemeine Achtung und das Zutrauen des Volkes machten den Gallus bekannt am Hof des Königs Theodorich. Sogleich berief ihn der König zu sich. Die Reinheit der Sitten, die Unschuld der Seele, die frohe Heiterkeit gossen eine Anmut über sein ganzes Wesen aus, dass er das Herz des Königs und der Königin gewann, und er ward wie das Kind im Hause. Der König wollte ihn immer an der Seite haben, und während er viele Bürgersöhne aus Clermont nach Trier zum Kirchendienste verschickte, musste der holde Gallus am Hofe bleiben. Auch auf Reisen nahm der König ihn mit sich als Gesellschafter.
So kam einst der liebenswürdige Mann nach Köln, wo noch ein Götzentempel stand, der neben verschiedenen Verzierungen auch mancherlei Schnitzwerk, als Gelübdelösungen für kranke Glieder, wie man vorgab, enthielt. Es traf gerade die Zeit eines Opferfestes, wobei sich das heidnische Volk am Opfermahl gütlich tat, und die Feierlichkeit schloss mit Entladung des überfüllten Magens. Dem Liebling Gottes ging solcher Gräuel tief zu Herzen. Er eiferte für Gottes Ehre, nahm noch einen Geistlichen zu sich und zündete den Götzentempel an. Schwer rettete er sich vor dem nacheilenden zornigen Volk und verbarg sich in der königlichen Burg. Nachher aber bekannte er mit tränenden Augen, wie er die Gelegenheit, für Gott zu sterben, so unbenutzt habe vorbeigehen lassen.
Mit der Zeit entschlief der Bischof zu Clermont, Quintian, selig im Herrn und Gott fügte es so, dass Gallus als Diakon zur nämlichen Zeit sich dort aufhielt beim Priester Impetratus, der sein Grossonkel war. Bei diesem versammelte sich die Geistlichkeit wegen der Trauer und wegen der Nachfolge und machte ein langes Gerede. Dem Diener Gottes fiel dies auf, er fragte einen Priester: Was ist das für ein Gerede? Was für ein Gewirr? Was für Pläne? Und sagte aus Eingebung Gottes: »Ihre Mühe ist umsonst; Gott hat sich den Bischof schon ausersehen, und diese Ehre hat er mir zugedacht.« Kinderseelen hangen in allen Begebenheiten des Lebens mit Herz und Aug an Gott, und dafür führt er sie an seiner Hand durch alle Wege des Lebens, und der kluge, umsichtige und geschäftige Weltverstand geht leer vorüber an dem Lebensborn. Das Wort, weil aus Gott gesprochen, ging wider Erwarten in Erfüllung. Nipetius ward vom König auf den ebenfalls ledigen Bischofsstuhl zu Trier und Gallus zum Bischof von Clermont ernannt.
Auf den Leuchter erhoben glänzte die Glaubenseinfalt mit ihrer schwesterlichen Tugend, der Demut, der Sanftmut, der Liebe, der Reinheit, dem Eifer auf das gläubige Volk herab, zog die Herzen an sich und vereinigte sie mit Gott.
Er hatte einen gewissen Valentinian, einen Diakon, der nachher auch Priester geworden, zum Kirchendienst aufgenommen. Dieser wollte einst in Gegenwart eines andern Bischofs in der Kirche den Wohlklang seiner Stimme, wiewohl nicht zum Lob Gottes, sondern zu seinem Selbstlob hören lassen und fragte daher seinen Bischof um Erlaubnis. Er aber, die Eitelkeit merkend, sagte zu ihm: »Mein Sohn, heute tue es nicht, denn es wird dir nicht gelingen.« Der Diakon aber tat es doch, aber ganz widerlich zu seiner Beschämung. Nächstens darauf sagte der Bischof zu ihm: »Heute lass deine Stimme hören!« Es geschah, und zu jedermanns Wohlgefallen. So schloss und öffnete Demut den Mund des Sängers.
Einst hatte ein verwegener Mensch bei einem Gastmahl dem frommen Diener Gottes einen Streich auf das Haupt gegeben; er aber betrug sich so still und ruhig, dass er nicht einmal ein raues Wort zurückgab. Die Glaubenskinder wissen von keinem Urteil, noch weniger von einer Rache gegen Menschen, denn Gott ist ihnen Vater, Lenker und Erhalter ihres Lebens, er ist ihnen Herr und Vergelter.
Nachher hatte Evodius, der aus einem Ratsherr ein Priester geworden, den Bischof mit seiner Lästerzunge öffentlich gelästert; dieser aber verließ mit fröhlicher Miene den Ort und besuchte die Kirchen der Stadt. Gerührt durch solche Sanftmut läuft Evodius ihm nach, fällt vor seinen Füssen nieder und bittet um Vergebung. Der Heilige hebt ihn auf, umarmt ihn, vergibt ihm die Schuld; sagt ihm aber bedeutend ins Herz: »Mein Sohn! Gib die Hoffnung, Bischof zu werden, die du im Herzen hegst, nur auf, denn das wird niemals geschehen.« Die Liebe siegt über das Böse; die Gnade wendet das Böse zum Guten; so haben es die Kinder Gottes von Gott gelernt.
Einst war in der Stadt Feuer ausgebrochen und drohte, dieselbe in Asche zu legen; und nachher wütete in den umliegenden Provinzen eine pestartige Krankheit und raffte viele Menschen hinweg. Jedes Mal nimmt der Heilige seine Zuflucht zum Gebet; er geht in die Kirche, wirft sich mit Tränen vor dem Herrn nieder und fleht um Gnade für sein Volk. Und das Feuer wird gelöscht, und die Seuche verschont die bischöfliche Stadt. Der Glaube umfasst Himmel und Erde, erfasst das Vaterherz Gottes und bringt Gnade.
Endlich kam die Zeit seiner Auflösung, wie ihm Gott durch einen Engel während seiner Fürbitte zur Zeit der Pest angedeutet hatte. Ein starkes Fieber entkräftete ihn; dennoch lässt er viele der Gläubigen zu sich kommen, teilt ihnen noch das heilige Abendmahl mit, das er selbst auch als seine Wegzehrung genossen und nimmt Abschied von ihnen. Am dritten Tag nachher betet er noch die Metten und die Danksagung – und stirbt freudig im Herrn ums Jahr 553, bei 65 Jahre alt, im 27. Jahr seines Bistums.
Die Trauer um ihn war unaussprechlich groß, jedermann klagte, als wenn die Hälfte seines Lebens ihm entrissen wäre; und wie bei Moses, dem er ähnlich war, die Israeliten, so klagten jetzt die Gläubigen: es wird kein Gallus mehr kommen.
Gott verherrlichte seinen treuen Diener, wie schon bei Lebzeiten, noch mehr nach seinem Tod. Bei der Aussetzung des Leichnams in der Kirche zog sich ein Fuß zurück, und der Leichnam wendete das Angesicht gegen einen Altar. Er wurde erst am vierten Tag begraben. Auch andere Wunder geschahen bei seinem Grabe.