Den einzigen Hinweis darauf, dass die Kirche von Rüderswil einst den heiligen Gallus als Patron gehabt haben könnte, gibt ihre 1423 gegossene Glocke. Sie trägt die Inschrift: »SANCTE GALLE ORA PRO NOBIS – Sankt Gallus bitte für uns.«
Heute ruft die Sankt Gallus-Glocke in Rüderswil nicht mehr zum Gottesdienst; längst hat die Kirche ein neues Geläut. Trotzdem hat sie die Zeiten überdauert. Sie steht jetzt im Vorgarten der Kirche, neben einer kleineren, noch älteren Glocke aus dem 13. Jahrhundert.
Ob wir von der Sankt Gallus-Glocke tatsächlich auf das Patrozinium der Rüderswiler Kirche zurückschließen dürfen, ist zwar nicht absolut sicher, aber doch immerhin möglich. Jedenfalls muss der heilige Gallus in Rüderswil eine gewisse Rolle gespielt haben. Warum hätte man ihm sonst eine eigene Glocke gießen sollen? Beziehungen zum Kloster St.Gallen scheint es im 9. Jahrhundert gegeben zu haben. In einer Urkunde vom 26. August 894 bestätigte König Arnulf dem Kloster eine Schenkung der edlen Frau Pirin in Ried (Riete), einem Ort, der heute auf dem Gemeindegebiet von Rüderswil liegt. Ob zwischen dem St.Galler Besitz und dem Patrozinium von Rüderswil ein direkter Zusammenhang besteht, lässt sich freilich nicht nachweisen. Auch das Kloster Einsiedeln besaß Güter in der heutigen Gemeinde, später dann auch das Emmentaler Benediktinerkloster Trub.
Die Kirche von Rüderswil wird im Liber decimationis des Bistums Konstanz von 1275 erstmals schriftlich erwähnt. Im Jahr 1319 war Johann von Friesenberg (einst ein Kyburger Ministerialengeschlecht) im Besitz des Patronatsrechts der Rüderswiler Kirche. Er schenkte es 1350 dem Deutschordenshaus Bern. Im Jahr 1528 ging es im Rahmen der Reformation an die Stadt Bern über. Diese setzte in Rüderswil die neue Lehre durch, und mit der Reformation ging das Heiligenpatrozinium der Rüderswiler Kirche unter. So sind die beiden alten Glocken die einzigen Zeugen geblieben, die uns möglicherweise einen Hinweis auf das einstige Patrozinium der Kirche von Rüderswil geben.