Am 2. Februar 779 übertrugen Waltrada und ihr Sohn Waldbert dem Kloster St.Gallen ihren Besitz in Romanshorn, zu dem auch eine Kirche gehörte. Die überaus aufschlussreiche Urkunde dieses Rechtsgeschäfts, die bis heute im Stiftsarchiv St.Gallen aufbewahrt wird, nennt auch die Patrone dieser Kirche: Maria, Petrus und Gallus. Es mag auf den ersten Blick erstaunen, dass die Romanshorner Kirche den heiligen Gallus als (Mit-)Patron hatte, schon bevor sie in die unmittelbare Obhut des Klosters St.Gallen gelangte. Ein Blick auf die Schenkerfamilie lässt diese außergewöhnliche Tatsache jedoch leicht erklären. Waltrada nennt sich in der Schenkungsurkunde selber als Witwe des Tribuns Waltram. Sie und ihr Sohn Waldbert gehörten demnach zu jener Familie, die um das Jahr 720 die Gründung des Klosters St.Gallen durch den heiligen Otmar ermöglicht bzw. sogar veranlasst hatte! Die Beziehungen zwischen der Sippe Waltrams und dem Kloster St.Gallen müssen sehr eng gewesen sein, und sie sind wohl auch der Grund für das frühe Galluspatrozinium der Romanshorner Kirche.
Romanshorn scheint für das Kloster St.Gallen in der zweiten Hälfte des 9. Jahrhunderts eine gewisse Bedeutung erlangt zu haben, jedenfalls erscheint die Ortschaft am südlichen Bodenseeufer wiederholt als Ausstellungsort von klösterlichen Urkunden. Nach 900 fehlen uns allerdings für längere Zeit die schriftlichen Quellen, weshalb wir dennoch nur wenig über die frühe Geschichte von Romanshorn wissen. Immerhin: Dank einer archäologischen Grabung in den 1960er-Jahren lässt sich die Baugeschichte der alten Kirche von Romanshorn wenigstens grob umreißen. Die Archäologen konnten die Grundmauern des ursprünglichen, in der Waltrada-Urkunde erwähnten Gotteshauses freilegen, einen vergleichsweise stattlichen Bau mit mehreren Nebengebäuden. Während ein größeres Gebäude südlich der Urkirche allgemein als Herrenhaus interpretiert wird, könnte ein Nebenraum der Kirche auch als Wohnstatt für die beiden Frauen Theotsinda und Guatani gedient haben. Diese beiden »Mägde« werden in der Urkunde von 779 ausdrücklich erwähnt. Möglicherweise führten sie, unterstützt von ihrer Herrin Waltrada, bei der Romanshorner Kirche ein klosterähnliches Leben.
Im 10. Jahrhundert erfuhr die Romanshorner Kirche eine erste bauliche Veränderung, als ihre ursprüngliche Apsis ersetzt wurde. Im 14., 15. und zu Beginn des 16. Jahrhunderts erfolgten weitere Umbauten. Dem 14. Jahrhundert entstammen die Freskenüberreste an der Ostwand des Chors, dem 15. Jahrhundert der Sockelbau des wehrhaft anmutenden Kirchturms, dessen ursprüngliche Funktion noch nicht abschließend geklärt ist.
In der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts gelang es dem tatkräftigen Abt Ulrich Rösch, die zuvor bisweilen stark vernachlässigte Herrschaft des Klosters St.Gallen in Romanshorn wieder nachhaltig zu stärken. Er brachte den alten Kelnhof sowie Gericht und Vogtei wieder an sein Kloster, dem Papst Sixtus IV. im Jahr 1480 auch die Romanshorner Kirche inkorporierte. Unter Abt Ulrich Rösch fand vielleicht auch der Patrozinienwechsel statt, bei dem Johannes der Täufer die bisherigen Kirchenpatrone Maria, Petrus und Gallus ablöste.
Das Romanshorner Gotteshaus hatte bereits Sankt Johannes Baptist zum Patron, als Pfarrer Itelhans Bertz im Jahr 1529 mit seiner ganzen Gemeinde zum reformierten Glauben übertrat und die Altäre, Bilder und Reliquien aus der Kirche entfernte. 1567 ließ der St.Galler Abt in Romanshorn erstmals wieder eine Heilige Messe feiern, und seit 1584 nutzten Protestanten und Katholiken mit Erlaubnis der eidgenössischen Tagsatzung das Gotteshaus paritätisch. Johannes der Täufer wurde von den Katholiken wieder als Kirchenpatron eingesetzt. Das Simultaneum endete 1911 mit der Vollendung der neuen evangelisch-reformierten Kirche von Romanshorn. Die Katholiken weihten 1913 ein neues Gotteshaus. Die alte Kirche von Romanshorn wurde in der Folge stark vernachlässigt. Erst 1963 konnten sich die beiden Konfessionen auf eine gemeinsam getragene Restaurierung einigen. Dieser gingen sorgfältige archäologische und bauhistorische Untersuchungen voraus, die so wertvolle Ergebnisse an den Tag förderten, dass heute sowohl Katholiken als auch Protestanten stolz auf ihre alte Kirche sind.