Prag (Altstadt)

Vor der Prager Sankt Gallus-Kirche erstreckt sich der Havelský trh, der Gallus-Markt. Er ist der einzige noch erhaltene Marktplatz in der Prager Altstadt. Seit dem Jahr 1232 herrscht hier Marktbetrieb. (2014)
In der Sankt Gallus-Kirche von Prag finden noch regelmäßig Gottesdienste statt. Nur dann ist es möglich, die Kirche zu besuchen. Fotografieren ist jedoch verboten. (2015)
Die barocke Doppelturmfassade der Prager Sankt Gallus-Kirche ist gegen den Marktplatz hin ausgerichtet. (2015)
Sankt Gallus überschaut von seiner Kirche aus den Prager Marktplatz. (2015)
An die Sankt Gallus-Kirche sind Souvenirgeschäfte angebaut. Das Gotteshaus befindet sich im touristischen Zentrum Prags. (2015)
Prag, die Stadt der hundert Türme. Hinter der Karlsbrücke und dem Altstädter Brückenturm erheben sich die Doppeltürme der Sankt Gallus-Kirche. (2015)

Die Bevölkerung des Bodenseeraums verehrte Gallus schon seit dem Frühmittelalter. Als im Hochmittelalter dann viele Menschen aus dieser Region als Siedler nach Böhmen zogen, nahmen sie ihren Heiligen mit in die neue Heimat. In Prag errichteten sie ihm zu Ehren eine Kirche: Kostel sv. Havla.

1354 kam Gallus auch leibhaftig nach Prag. Im Jahr zuvor hatte König Karl IV. bei einem Besuch im Kloster St.Gallen den Abt um Reliquien gebeten. Dieser anvertraute ihm einen größeren Teil des Schädels sowie weitere Gebeine des heiligen Gallus, darüber hinaus auch noch den Schädel und Gebeine des heiligen Otmar. Nun schenkte Karl IV. diese Reliquien der Domkirche von Prag – dem Veitsdom. Dieses prächtigste und größte Gotteshaus der Stadt hatte er selber im gotischen Stil erbauen lassen. Nach seinem Tod ließ sich Karl auch hier beerdigen – ganz in der Nähe der Heiligen, die er so sehr verehrte.

Der Kirche und den Reliquien des heiligen Gallus in Prag war – gleich wie in St.Gallen – ein wechselvolles Schicksal beschieden. Noch zu Lebzeiten Karls IV. wurde das Haupt des hl. Gallus vom Veitsdom in die Galluskirche überführt. Um dem Patronatsheiligen ein würdiges Zuhause zu bieten, erweiterte man die bisherige spätromanische Kirche um ein ganzes Doppelschiff und baute sie in eine hochgotische Basilika um. In der Folge wirkten hier große Prediger: Johannes von Nepomuk, der 1393 in der Moldau ertränkt und 1729 heiliggesprochen wurde sowie Jan Hus, der 1415 unter dem Vorwurf der Ketzerei auf dem Konstanzer Konzil verbrannt wurde. Nach dem Tod von Jan Hus blieb die Prager Galluskirche in den Händen seiner Anhänger, den Hussiten. In zahlreichen blutigen Auseinandersetzungen, den Hussitenkriegen, gingen die Reliquien des heiligen Gallus verloren.

1627 übernahm der Karmelitenorden die Prager Galluskirche. Die neuen Besitzer errichteten ein Klostergebäude und ließen die Kirche im barocken Stil umbauen. Doch auch das Prager Galluskloster sollte nicht bis in die Gegenwart überleben. Kaiser Joseph II. hob es bereits im Jahr 1785 auf und die Sankt Gallus-Kirche wurde in eine Pfarrkirche umgewandelt. Die Zeit des Kommunismus brachte dann auch die Auflösung der Gallus-Pfarrei. Die Kirche aber blieb erhalten und wurde sorgfältig gepflegt. Als Teil der Prager Altstadt gehört die Sankt Gallus-Kirche heute wie der St.Galler Stiftsbezirk zum UNESCO-Weltkulturerbe.


Literatur

Čižinská, Helena; Hájek, Josef, Die Sankt Gallus-Kirche in der Prager Altstadt, Prag 2013.

Erhart, Peter; Kuratli Hüeblin, Jakob; Oberholzer, Paul, 1400xGallus, St.Gallen 2012.

Grueber, Bernhard, Die Kunst des Mittelalters in Böhmen, in: Mittheilungen der K. K. Central-Commission zur Erforschung und Erhaltung der Baudenkmale 16 (1871), S. I–CLXXX.

Hrdina, Jan, Svatohavelský kult ve středověkých Čechách. Zpráva o stavu výzkumu, in: Martin Musilek (Hg.), Havelské Mesto pražské ve stredoveku: historie, archeologie, stavební historie, Prag 2012, S. 100–135.

Hrdina, Jan, Der heilige Gallus – seine Patrozinien und seine Verehrung im mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Böhmen, in: Franziska Schnoor, Karl Schmuki, Ernst Tremp, Peter Erhart, Jakob Kuratli Hüeblin (Hg.), Gallus und seine Zeit. Leben, Wirken, Nachleben, St.Gallen 2015, S. 321–339.

Huber, Sales, St.Gallus in Prag – Kostela sv. Havla, in: Die Ostschweiz (15.08.1968).

Kateřina Horníčková, My saints: „Personal“ Relic collections in Bohemia before Emperor Charles IV, in: Medium aevum quotidianum 64 (2013), S. 50–61.

Musilek, Martin (Hg.), Havelské Mesto pražské ve stredoveku: historie, archeologie, stavební historie, Prag 2012.

Popp, Emil, Die Patrozinien der böhmischen Länder in vorhussitischer Zeit. Eine Bestandesaufnahme, in: Bohemia. Jahrbuch des Collegium Carolinum 1972 (13), S. 44–130.

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Stand: Dezember 2017