Im Jahr 727 stiftete Graf Eberhard aus der Familie der Etichonen das Elsässer Kloster Murbach und betraute den heiligen Pirmin mit dem Aufbau einer Mönchsgemeinschaft unter der Regel des heiligen Benedikt. Die Abtei, die schon sehr früh eine bewundernswerte kulturelle Blüte erlebte, wurde auch als Vivarium Peregrinorum bezeichnet, als ›Teich‹ oder ›Hort der Pilger(mönche)‹. Gemäß der Murbacher Tradition hätten bereits im 7. Jahrhundert iroschottische Wandermönche auf ihrer Peregrinatio pro Christo in Bergholtz eine erste Niederlassung gegründet, diese Zelle aber schon bald nach dem heutigen Bergholtzzell verlegt. Doch auch von hier seien die Mönche bald wieder weggezogen, um sich noch etwas weiter abseits der Welt in Murbach niederzulassen.
Die ›Murbacher Annalen‹, welche den Bericht über die iroschottischen Wurzeln Murbachs überliefern, stammen aus dem Spätmittelalter. Inwiefern der Bericht auf einen ›wahren Kern‹ zurückgeht, ist umstritten. Jedenfalls wurden in Murbach ›irische‹ Heilige wie Columban, Gallus und Fridolin, aber auch Sankt Romaricus, ein Nachfolger Columbans auf dem Abtstuhl von Luxeuil und Mitgründer des Klosters Remiremont (Romarici Mons), bevorzugt verehrt. Im Klosterbezirk von Murbach stand sogar eine Sankt Gallus-Kapelle, die 1335 und 1347 schriftlich belegt ist. Ihren genauen Standort kennen wir nicht mehr; wir wissen aber, dass sie eine eigene Kaplaneipfründe besaß. 1347 fand in der Galluskapelle eine Altarweihe statt.
Im Jahr 885 gingen die Klöster St.Gallen und Murbach eine Gebetsverbrüderung ein. Beide gehörten damals zu den bedeutendsten Abteien Europas. Ihr ›goldenes Zeitalter‹ endete praktisch gleichzeitig, und zwar mit den Raubzügen der Ungarn im 10. Jahrhundert. St.Gallen wurde am 1. Mai 926 heimgesucht, Murbach im Juli desselben Jahres. Beide Klöster konnten sich von diesem Rückschlag erholen und spielten auch im Hochmittelalter wieder eine bedeutende Rolle, allerdings mehr auf herrschaftlich-politischem als auf religiös-monastischem Gebiet.
Während das Kloster St.Gallen im Spätmittelalter überlebenswichtige Reformen durchführte, nach den Reformationswirren zu einer großartigen monastischen und kulturellen Blüte zurückfand und seinen Status als souveränes Fürstentum bis zu seiner Aufhebung wahren konnte, machte das Haus Österreich Murbach zu einer Kommendatarabtei und einem festen Stützpunkt der habsburgischen Herrschaft im südlichen Elsass. Bei den wiederholten Versuchen, den monastischen Geist in Murbach zu heben, spielten auch Konventualen aus dem Kloster St.Gallen eine wichtige Rolle, zum Beispiel Erasmus von Altmannshausen oder Kolumban Tschudi. Kolumban von Andlau, der 1627 seine Profess im Kloster St.Gallen gefeiert hatte, wurde am 18. Dezember 1662 vom Murbacher Konvent rechtmäßig zum Abt gewählt. Politische Ränkespiele (mittlerweile lag Murbach im Interessensgebiet der französischen Könige) verhinderten aber seinen Amtsantritt. 1680 wurde die Fürstabtei Murbach dem Königreich Frankreich angegliedert. Als der Murbacher Konvent am 6. Juni 1686 erneut Kolumban von Andlau zum Abt wählte, nahm dieser die Wahl nicht mehr an. Erneut gelang es dem französischen König, einen eigenen Kandidaten durchzudrücken. Als der St.Galler Mönch Antonin von Beroldingen, der 1683 als Dekan nach Murbach berufen worden war, Ludwig XIV. – den ›Sonnenkönig‹ – auf die Illegalität seiner Einmischung ins Klosterleben hinwies, ließ ihn dieser kurzerhand aus Frankreich ausweisen.
Eine nachhaltige Reform des Klosters Murbach konnte so nicht gelingen. 1738 beschloss der Konvent, die romanische Klosterkirche durch einen Barockbau zu ersetzen. Nach dem Abbruch des Daches des Kirchenschiffs und der Grundsteinlegung für ein neues Gebäude wurden die Bauarbeiten jedoch eingestellt. Unter dem Vorwand, wegen der fehlenden Kirche nicht länger in Murbach bleiben zu können, zogen die Mönche in die nahe gelegene Stadt Guebwiller. 1759 erreichten sie in Rom die Umwandlung ihres Kapitels in ein ›adliges Ritterstift‹. Damit endet die über tausendjährige benediktinische Tradition Murbachs; im Tal blieb eine halb abgebrochene Klosterkirche zurück. Dass die Französische Revolution dann auch dem Ritterstift den Todesstoß versetzte, erscheint nur konsequent.