Morschach liegt auf einer Gletschermoräne hoch über dem Vierwaldstättersee. Wer im Mittelalter von Zürich kommend Richtung Uri zog und den vor allem bei Föhnstürmen gefürchteten Seeweg mied, wählte die ›Bergroute‹, die über den Axen und durch den Ort Morschach führte. Als um das Jahr 1200 ein Weg durch die bisher unpassierbare Urner Schöllenenschlucht und damit die Nord-Süd-Verbindung über den Gotthardpass eröffnet werden konnte, wuchs auch die Bedeutung Morschachs als Durchgangsort für Reisende, Söldner, Säumer und Pilger.
Archäologische Ausgrabungen haben gezeigt, dass in Morschach bereits im neunten Jahrhundert ein Gotteshaus stand. Schriftlich treten der Ort und seine Kirche allerdings erst im 13. Jahrhundert in Erscheinung. Morschach gehörte damals zur Großpfarrei Schwyz. Der Kirchweg betrug rund sieben Kilometer und dreihundert Höhenmeter. Er war oft durch Lawinen verschüttet und für die Pfarrgenossen ungangbar. Dies hatte zur Folge, dass etliche Morschacher vor ihrem Tod die Sterbesakramente nicht empfangen konnten.
Ohne kirchlichen Beistand zu sterben war für die damaligen Menschen sehr beunruhigend. Es ist deshalb verständlich, wenn sich die Morschacher schon früh einen eigenen Pfarrer im Dorf wünschten. Im 13. Jahrhundert vergrößerten sie ihre bestehende Kapelle – möglicherweise mit dem Ziel, sie für eine Erhebung zur Pfarrkirche anzuempfehlen. Am 25. Juni 1283 erfolgte die Weihe des erweiterten Gotteshauses.
Rund zwanzig Jahre später war das Ziel erreicht: Am 18. April 1302 verlieh der Konstanzer Bischof Heinrich II. der Morschacher Kapelle die Rechte einer Pfarrkirche samt eigenem Priester. König Albrecht I. von Habsburg, der damalige Patronatsherr der Schwyzer Kirche, beurkundete seine Zustimmung bereits eine Woche später.
Die Abkurung von der Mutterpfarrei Schwyz scheint die Morschacher zum weiteren Ausbau ihrer Kirche motiviert zu haben. Sie ließen einen zweiten Altar errichten. Am 26. und 28. April 1318 stellte der im Bistum Konstanz als Weihbischof tätige Petrus von Nazareth der Gemeinde zwei Urkunden aus. In der ersten verkündete er die Weihe des Morschacher Friedhofs, wobei er erstmals auch das Patrozinium der Kirche erwähnte: Sankt Gallus. Zwei Tage später bestätigte er zudem die Weihe von zwei Altären, einen zu Ehren der Heiligen Gallus und Mauritius, den anderen zu Ehren der Jungfrauen Maria und Katharina sowie des heiligen Nikolaus.
Die Forschung geht davon aus, dass 1318 in Morschach ein Patrozinienwechsel stattgefunden hat. Als wichtiges Indiz dafür gilt die Tatsache, dass Petrus von Nazareth bei der Altarweihe auch das Morschacher Kirchweihfest verschob, und zwar vom 26. Juni (Johannes und Paulus) auf den Sonntag nach Sankt Gallus. Den ursprünglichen Kirchenpatron von Morschach kennen wir nicht. Wenn wir uns aber vor Augen halten, dass das älteste Gotteshaus schon im neunten Jahrhundert errichtet wurde, dann kommt der heilige Gallus tatsächlich kaum in Frage. Ein so frühes Galluspatrozinium an einer Kirche, die damals in keiner Beziehung zum Kloster St.Gallen stand, wäre jedenfalls nicht erklärlich.
Dass die Morschacher nach der Abkurung von Schwyz ihre Kirche unter den Schutz eines neuen Patrons stellten, ist gut vorstellbar. Aber warum ausgerechnet Sankt Gallus? Wer hat ihn ausgewählt beziehungsweise vermittelt? Die Gemeinde? Der Bischof? Oder doch eher der Patronatsherr (Herzog Leopold I. von Österreich)? Wurde Gallus in Morschach als Schutzherr der Pilger und Passfahrer eingesetzt oder hatte seine Wahl andere Gründe? All diese Fragen lassen sich bisher nicht beantworten. Erstaunlich ist aber, dass Morschach bei der Altarweihe von 1318 möglicherweise noch gar keine Gallusreliquien besaß! Jedenfalls belegt ein Verzeichnis von 1337 zwar Reliquien der Altarpatrone Mauritius, Maria, Katharina und Nikolaus, aber keine des Hauptpatrons Gallus.
Im Jahr 1433 ging das Patronatsrecht der Morschacher Kirche von den Herzögen von Österreich an den Rat von Schwyz über. Morschach profitierte. 1486 konnte eine feierliche Translation von Reliquien des heiligen Gallus nach Morschach stattfinden. Der St.Galler Fürstabt Ulrich Rösch hatte sie der Kirche auf Vermittlung des einflussreichen Schwyzer Hauptmanns und Politikers Ulrich Kätzi geschenkt. Kätzi war von 1484 bis 1486 als Vertreter des Standes Schwyz Schirmorte-Hauptmann zu Wil. Er hatte in dieser Funktion für den Schutz und die Förderung des Klosters St.Gallen in weltlichen Angelegenheiten zu sorgen. Als enger Vertrauter von Fürstabt Ulrich Rösch war er am 6. März 1486 wohl persönlich bei der feierlichen Erhebung der Gebeine des heiligen Gallus im St.Galler Münster anwesend. Einen Tag später, am 7. März 1486, erhielt er von Rösch die Reliquien für die Morschacher Kirche. Übrigens: Auch für die Kirchen von Kilchgass (Schwyz), Arth, Steinen und Muotathal erhielt Kätzi Gallusreliquien.
Im Jahr 1500 soll ein Erdbeben die Sankt Gallus-Kirche von Morschach zerstört beziehungsweise stark beschädigt haben. Um möglichst gut an Spendengelder für einen Neubau heranzukommen, bemühten sich die Morschacher Kirchgenossen erfolgreich um einen Ablass für all jene Wohltäter, die das Bauprojekt finanziell unterstützten. Am 15. August 1509 konnte die neu errichtete spätgotische Galluskirche von Morschach geweiht werden. Diese bildet bis heute die hauptsächliche Bausubstanz des Gotteshauses, dessen Barockisierung im 18. Jahrhundert, vor allem in den Jahren 1718–20 beziehungsweise 1771/77, erfolgte.
Pfarrer Karl Tanner beschaffte 1666 erneut Gallusreliquien. Offenbar war ihm nicht bewusst, dass in seiner Kirche bereits welche vorhanden waren. In den Jahren 1827/28 wurde die Pfarrkirche umfassend renoviert. Die letzte umfangreiche Sanierung, bei der auch archäologische Grabungen durchgeführt werden konnten, erfolgte 1985–1987. Bei diesen Arbeiten wurde die älteste Morschacher Kirche aus dem 9. Jahrhundert entdeckt.
1864/65 wurde am Fuße des Axen, unmittelbar dem Vierwaldstättersee (Urnersee) entlang, die spektakuläre Axenstrasse in den Fels gehauen. Der Weg über Morschach verlor damit seine Bedeutung als Transitroute, umso mehr, als ab 1882 auch die Gotthardbahn – die Eisenbahnverbindung durch den Gotthard – eröffnet werden konnte. Dafür erlebte Morschach nun einen beispiellosen Aufschwung als Feriendestination. In den Luxushotels ›Axenfels‹ und ›Axenstein‹ logierten Persönlichkeiten wie Königin Victoria von England (die Morschach the most beautiful place on earth nannte), König Ludwig II. von Bayern oder Winston Churchill. Der Zweite Weltkrieg beendete das Morschacher Tourismuswunder jählings. Erst in den vergangenen Jahren vermochte sich Morschach wieder erfolgreich als Destination für Aktiv- und Familienurlauber zu etablieren.