Lichtensteig ist das einzige noch existierende Städtchen der Landschaft Toggenburg. Es wurde um die Wende des 12. Jahrhunderts von den Grafen von Toggenburg auf einem Felssporn über der Thur gegründet. Zur Siedlung dürfte von Anfang an auch ein Gotteshaus gehört haben, das zunächst allerdings noch nicht den Rang einer Pfarrkirche hatte, sondern eine Filiale von Wattwil war. Verständlich, dass die selbstbewusste Stadt kirchlich selbständig sein wollte. Zusammen mit den Grafen Donat und Friedrich VII. von Toggenburg dotierten die Lichtensteiger die Pfründe ihrer Kapelle im ersten Viertel des 15. Jahrhunderts so gut, dass einer Erhebung zur Pfarrei eigentlich nichts mehr im Wege stand. Es waren aber noch etliche Streitpunkte zu klären, bevor am 17. Oktober 1435 die Errichtungsurkunde der Pfarrei Lichtensteig ausgefertigt werden konnte.
Das Lichtensteiger Gotteshaus war dem Heiligen Kreuz und Sankt Antonius geweiht. Das gleiche Patrozinium begegnet uns auch im Städtchen Uznach im Linthgebiet, das ebenfalls eine Gründung der Grafen von Toggenburg war. Als nach dem Aussterben des Grafengeschlechts die Landschaft Toggenburg 1468 an das Kloster St.Gallen kam, bestätigte Abt Ulrich Rösch den Lichtensteigern die hergebrachten Rechte (1469). Das Städtchen wurde zum Verwaltungssitz des äbtischen Landvogts im Toggenburg.
Die Reformation fand in Lichtensteig, anders als in den umliegenden Orten des Toggenburgs, zunächst keine Mehrheit. Trotzdem setzte der aus dem Toggenburg stammende Reformator Ulrich Zwingli von seiner Wirkungsstätte Zürich aus die Abhaltung einer Gemeindeversammlung durch, die über das Bekenntnis der Stadt entscheiden sollte. Es war eigentlich abzusehen, dass Lichtensteig beim katholischen Glauben verbleiben würde. Stimmberechtigt waren nach alter Sitte nur die Lichtensteiger Stadtbürger, und unter ihnen hatten die Papsttreuen die Mehrheit. Nicht eingebürgerte Neuzuzüger – die so genannten Hintersassen – hatten kein Stimmrecht. Dies wollten die Anhänger Zwinglis nun aber ändern. Die Glaubensfrage sollte nicht allein von den Bürgern, sondern von allen – männlichen – Bewohnern von Lichtensteig beantwortet werden. Natürlich wehrte sich die katholisch gesinnte Mehrheit der Stadtbürger gegen diese plötzliche Neuerung. Doch weil die eidgenössischen Orte, die in Lichtensteig das geltende Recht hätten schützen sollen, selber tief gespalten waren, griffen sie nicht ein. Die Hintersassen packten ihre Chance auf mehr Mitbestimmung. Sie erschienen am 23. August 1528 ebenfalls auf der Gemeindeversammlung und stimmten für die neue Lehre. So erhielt die Reformation auch in Lichtensteig die Oberhand. Altäre und Kunstgegenstände wurden aus der Pfarrkirche ausgeräumt, die Heilige Messe abgeschafft.
Schon 1532 wurde in Lichteinsteig wieder der katholische Gottesdienst eingeführt. Nach der Niederlage der Reformierten im Zweiten Kappelerkrieg (1531) erhielten die Katholiken im Städtchen wieder das Sagen. Der Kappeler Landfriede garantierte den Toggenburgern zwar die freie Religionsausübung. Die St.Galler Äbte als Landesherren bevorzugten freilich die Katholiken wo es nur ging. Reformiert Lichtensteig hatte bis in die Mitte des 17. Jahrhunderts keinen eigenen Prädikanten. Danach teilten sich die Konfessionen die alte Stadtkirche, was immer wieder zu Streitigkeiten führte. Diese nahmen noch zu, nachdem sich die Machtverhältnisse nach dem Toggenburgerkrieg (1712) wieder zugunsten der Protestanten verschoben hatten.
In der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts werden als (katholische) Patrone der paritätisch genutzten Lichtensteiger Stadtkirche Sankt Felix und Regula genannt. Das ursprüngliche Heilig Kreuz und Antonius-Patrozinium war wohl im Bildersturm untergegangen. Im 19. Jahrhundert entspannten sich die konfessionellen Fronten ein wenig. 1859 konnte man sich auf die Anschaffung einer neuen Orgel einigen und 1862 auf eine Erneuerung der Bestuhlung sowie der Decke. Bei den Vorarbeiten zur Deckensanierung stellte es sich aber heraus, dass das Gotteshaus in einem so schlechten baulichen Zustand war, dass gar mit einem Einsturz zu rechnen war.
Die beiden Konfessionen wurden sich bald einig, wieder ein gemeinsames Gotteshaus zu errichten. Da am alten Standort zu wenig Platz für eine geräumige neue Kirche war, entschloss man sich für einen Bau etwas oberhalb der Kernstadt, an markanter Lage im Grütli. 1866–1868 entstand nach den Plänen des St.Galler Architekten Johann Christoph Kunkler (1813–1898) eine Kirche im neugotischen Stil, die – katholischerseits – dem damals – katholischerseits – sehr geförderten St.Galler Landespatron Gallus geweiht wurde.
Die Lichteinsteiger wurden mit ihrer neuen paritätischen Kirche nie so recht glücklich. Sie wurde stets als Fremdkörper wahrgenommen, die nicht wirklich zum Städtchen und seinen Bewohnern passe. Die Reformierten machten den ersten Schritt. 1967 errichteten sie eine eigene Kirche. Das Simultanverhältnis wurde nach über 300 Jahren beendet. Die Katholiken, die das neugotische Gotteshaus auf dem Grütli übernommen hatten, zogen nach: Am 5. Juli 1967 entschieden auch sie sich für einen Neubau der Kirche. Am 21. April 1968 (Weißer Sonntag) fand der letzte Gottesdienst in der erst 100-järigen Sankt Gallus-Kirche von Lichtensteig statt. 1970 wurde die neue katholische Pfarrkirche fertiggestellt, die wiederum dem heiligen Gallus geweiht wurde.