Sennwald

Die evangelisch-reformierte Kirche von Sennwald war einst dem heiligen Gallus geweiht. Kirche und Patrozinium gehen auf die Adelsfamilie von Sax zurück, die im 13. Jahrhundert eng mit dem Kloster St.Gallen verbunden war. (2016)
1499 brannte die Sennwalder Sankt Gallus-Kirche nieder, wurde aber rasch wieder aufgebaut. Dabei entstanden der heutige Chor und der untere Teil des Kirchturms. (2016)
Drohnenbild der Kirche Sennwalsd
1529 wurde in Sennwald auf Betreiben der Stadt Zürich die Reformation eingeführt. Nach 1531 kehrte Sennwald zwar kurzzeitig wieder zum alten Glauben zurück, doch schon 1565 wurde eine zweite Reformation eingeleitet. (2021)
Die 1991 freigelegten Wandmalereien im Chor der Sennwalder Kirche stammen wahrscheinlich aus der Zeit zwischen 1531 und 1565. Darunter schimmern noch ältere Bilder aus der Zeit um 1500 durch. (2016)
Neben der Jungfrau Maria sind auf diesem Bild wohl der heilige Gallus (rechts) mit Abtsstab und Brot sowie der heilige Mauritius mit Legionärskleidung, Schwert und Fahne zu sehen. (2016)
Die Kirche von Sennwald wurde 1991 sorgfältig restauriert. Sie enthält noch viel alte Bausubstanz, die von einer spannenden Geschichte erzählt. (2016)
Bei der Kirchenrestaurierung von 1991 kam im Chor eine Nische zum Vorschein, in der vielleicht einst die ›Sennwalder Madonna‹ stand. Die Kirchgemeinde nahm diesen Fund zum Anlass, eine Replik des um 1350 entstandenen Kunstwerks anzufertigen. (2016)
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Sennwald wird bereits in den Lebensbeschreibungen des heiligen Gallus erwähnt. Auf der Flucht vor Herzog Gunzo überquerte der Heilige mit zwei Gefährten das Alpsteingebirge. Den churrätischen Teil des Rheintals, wo Gallus vor dem Alemannenfürsten sicher war, erreichte die Gruppe durch den »Wald, der Sennius genannt wird« (silvam vocatam Sennius) (Wetti I,15). Von hier zogen die Männer weiter nach Grabs, wo Gallus den Diakon Johannes kennenlernte.

Walahfrid Strabo nennt Sennwald in seiner Gallusbiografie (I, 15) eine einsame Gegend (heremum quae Sennia nominatur). Wir können also davon ausgehen, dass das heutige Ortsgebiet von Sennwald im 7. Jahrhundert noch nicht bzw. kaum besiedelt war. Ab 1193 gehörte die Gegend der Adelsfamilie von Sax, die um 1200 etwas südlich von Sennwald die Burg Forstegg erbauen ließ. Auf die Initiative des Hauses Sax ist wohl auch die Errichtung der ersten Steinkirche in Sennwald zurückzuführen. Archäologische Grabungen haben Mauerreste aus dem 13. Jahrhundert zu Tage gefördert. Zu jener Zeit erreichten die Saxer die Höhe ihrer Macht. Zwei Angehörige der Familie lenkten maßgeblich die Geschicke der Abtei St.Gallen: Heinrich von Sax leitete nach 1200 als Dekan einen Klosterumbau; sein Neffe Ulrich regierte von 1204 bis 1222 als Abt und wurde als solcher im Jahr 1207 in den Reichsfürstenstand erhoben.

Bei dieser engen Verbindung des Hauses Sax mit dem Kloster St.Gallen ist es nicht erstaunlich, dass das neu errichtete Gotteshaus von Sennwald Sankt Gallus als Patron erhielt. Die Tatsache, dass Sennwald in der Gallusvita erwähnt wird, mag die Patrozinienwahl beeinflusst haben. Das Kloster St.Gallen übte in Sennwald keinen direkten Einfluss aus; die Beziehungen bestanden nur über die Herren von Sax. Sennwald lag im Bistum Chur und gehörte zunächst zur Pfarrei Bendern im heutigen Fürstentum Liechtenstein. Die Sankt Gallus-Kapelle wurde aber um 1422 zur selbständigen Pfarrkirche erhoben.

Während des Schwabenkriegs überquerte in der Karwoche 1499 ein Heerhaufe den Rhein, um in der Herrschaft Sax zu plündern und zu brandschatzen. Dabei ging auch die Sennwalder Sankt Gallus-Kirche in Flammen auf, wobei sich ein Hostienwunder zugetragen haben soll: Monstranz und Tabernakel seien in der Hitze geschmolzen, das Allerheiligste jedoch blieb unversehrt. Mit Hilfe von Freiherr Ulrich VIII. von Sax (1462–1538) wurde die Sankt Gallus-Kirche rasch wieder aufgebaut. Der heutige Chor sowie der untere Teil des Kirchturms gehen auf den Wiederaufbau nach 1499 zurück. Der Chor wurde mit Wandmalereien geschmückt.

1529 gestattete Ulrich VIII. von Sax auf Wunsch der Stadt Zürich die Einführung der Reformation. Zürich schickte einen Prädikanten nach Sennwald; Bilder und Altäre sollten aus der Kirche entfernt werden. Der auf Burg Forstegg residierende Verwalter der Herrschaft Sax, Hans Egli, wollte das Alte aber nicht so einfach aufgeben. Zusammen mit 18 Bewaffneten zog er nach Sennwald und brachte liturgische Geräte sowie Kunstgegenstände in Sicherheit, darunter auch die aus der Mitte des 14. Jahrhunderts stammende ›Sennwalder Madonna‹, eine aus Lindenholz geschnitzte Pietà, die im Frauenkloster ›Maria Hilf‹ in Altstätten einen sicheren Zufluchtsort gefunden hat. Heute gilt die ›Sennwalder Madonna‹ als Kulturgut von europäischem Rang.

Nach der Schlacht bei Kappel vom 11. Oktober 1531, die mit einer Niederlage der Reformierten und dem Tod des Zürcher Reformators Zwingli endete, kehrte Ulrich von Sax mit seinen Untertanen wieder zum alten Glauben zurück. Die Sankt Gallus-Kirche wurde neu ausgestattet. Über den bereits unsichtbar gemachten Wandmalereien im Chor entstanden neue Bilder, die anlässlich der Restaurierung von 1991 wieder freigelegt werden konnten. Unter den Gemälden aus der kurzen Zeit der Rekatholisierung schimmern heute noch die nur wenige Jahrzehnte älteren Malereien von vor dem Bildersturm durch. Doch auch die neuen Bilder sollten schon bald wieder übertüncht werden. Ab 1565 wurde die Herrschaft Sax, und mit ihr die Sankt Gallus-Kirche von Sennwald, erneut reformiert.

1752 beschloss die Kirchgemeinde, das offenbar zu klein gewordene Gotteshaus zu vergrößern. Die Bauleitung übernahm der in Thal wohnhafte Johann Grubenmann. Er verlängerte das Schiff um 15 Schuh (ungefähr fünf Meter), errichtete eine Empore sowie einen vielbewunderten neuen Dachstuhl. Den Turm erhöhte Grubenmann um 16 Schuh und setzte ihm einen achteckigen Helm auf. Anlässlich ihrer Restaurierung im Jahr 1991 wurde die Kirche wieder weitgehend in den Zustand der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts zurückversetzt.

Schon bei einer Renovierung im Jahr 1925 wurden an zwei Wandflächen im Chor der Sennwalder Kirche großflächige Malereien entdeckt. Die evangelische Kirchgemeinde sprach sich damals allerdings noch gegen eine dauerhafte Freilegung der Heiligenbilder aus. Man ließ jedoch Fotografien der Gemälde herstellen und sie von einem Maler nach dem Original kolorieren. Diese Dokumentation erwies sich bei der Kirchenrenovierung von 1991, bei der die Wandgemälde mit großem Aufwand freigelegt und sorgfältig restauriert wurden, als sehr hilfreich. Die Malerei über dem spätgotischen Sakramentshäuschen zeigt den auferstandenen Christus vor dem Grab mit zwei Frauen (wohl nach Matthäus 28,1). Links davon umrahmen zwei Heilige eine Mondsichelmadonna, einer von ihnen dürfte Sankt Gallus, der andere Sankt Mauritius sein.


Panorama
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Literatur

Aebi, Richard, Geschichte der evangelischen Kirchgemeinden Sennwald-Lienz, Sax-Frümsen und Salez-Haag, Buchs 1963.

Aebi, Richard, Heimatkunde Sennwald, Buchs 1983.

Boari, Benito, Die Kirche von Sennwald. Geschichte und Gegenwart, in: Evangelische Kirchgemeinde Sennwald-Lienz-Rüthi (Hg.), Die Restaurierung der Kirche Sennwald, Buchs 1992, S. 3–8.

Büchel, Johann Baptist, Die Geschichte der Pfarrei Bendern, in: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein 23 (1923), S. 1–180.

Evangelische Kirchgemeinde Sennwald-Lienz-Rüthi (Hg.), Die Restaurierung der Kirche Sennwald, Buchs 1992.

Grüninger, Irmgard, Ergebnisse der Ausgrabungen im März 1991, in: Evangelische Kirchgemeinde Sennwald-Lienz-Rüthi (Hg.), Die Restaurierung der Kirche Sennwald, Buchs 1992, S. 8–10.

Staehelin, Johann, Salez, Sennwald und Sax in der Geschichte, St.Gallen 1958.

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Stand: Dezember 2017

Gottesdienste
Die Gottesdienste in der reformierten Kirche Sennwald werden auf der Website der evangelisch-reformierten Kirchgemeinde Sennwald angekündigt.