Saint-Gall

Um das Jahr 1143 weihte Kardinal Dietwin in einem Waldstück am Fuße der Vogesen eine Kapelle zu Ehren des heiligen Gallus. Sie war vom Kloster Maursmünster (Marmoutier) errichtet worden. (2016)
Bei der Sankt Gallus-Kapelle, deren heutige Bausubstanz vorwiegend aus dem 18. Jahrhundert stammt, existierte seit dem Mittelalter eine Einsiedelei. (2016)
Die Mönche aus dem Kloster Maursmünster, die dem heiligen Gallus nacheifern und in der Einsamkeit der Einsiedelei von Saint-Gall leben wollten, brauchten hierzu die Einwilligung ihres Abts. (2016)
Von der Barockzeit bis ins 20. Jahrhundert blühte in Saint-Gall eine Wallfahrt. Zunächst wurde Gallus als Patron der Kranken, später vor allem als Beschützer des Viehs angerufen. (2016)
Saint-Gall gehört zur Gemeinde Thal-Marmoutier. Der heutige Ortsname hat sich erst im 16. Jahrhundert eingebürgert. Im Mittelalter hieß der Weiler noch Waldhofen. (2013)
Die Sankt Gallus-Kapelle in Waldhofen (heute: Saint-Gall) wurde vom Kloster Maursmünster gegründet und liegt etwa eine Marschstunde von diesem entfernt. (2013)
Ein Zeichen der volkstümlichen Verehrung des heiligen Gallus haben wir auch im Gemeindewald von Marmoutier gefunden: Ein Wegkreuz zu Ehren von Sankt Gallus! (2013)
Die Inschrift auf dem Sockel des Wegkreuzes lautet: »Dieses Kreuz hat machen lassen der ehrsame und bescheidene Johann Michel Beck und seine Ehefrau Anna Maria Momerin Gott und dem heiligen Gallus zu Ehren 1752.« (2013)

Das Kloster Maursmünster (Marmoutier) errichtete in der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts im nicht weit entfernt gelegenen Waldhofen am Fuße der Vogesen eine Kapelle. Kardinal Dietwin (†1151) weihte sie um das Jahr 1143 zu Ehren des heiligen Gallus. Bei der Kapelle existierte eine Einsiedelei. Sie war ein Rückzugsort für Mönche, die (wie Sankt Gallus) ein Leben in der Abgeschiedenheit führen wollten. Im 16. Jahrhundert verschwand der Ortsname Waldhofen. Die Gegend um Kapelle und Einsiedelei wurde jetzt St. Gallen (Saint-Gall) genannt.

In der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts wurde die Kapelle vergrößert; 1740 erhielt sie einen neuen Hauptaltar. Saint-Gall hatte sich im 17. Jahrhundert zu einem Wallfahrtsort entwickelt, der insbesondere an den Bitttagen großen Zulauf hatte. Sankt Gallus wurde in der Wallfahrtskapelle von Saint-Gall als Patron der Kranken verehrt – ein Sonderpatronat, das damals auch im Kloster St.Gallen propagiert wurde, wo jeweils am Gallustag, dem 16. Oktober, der Galluswein gespendet wurde.

Ab dem 19. Jahrhundert rief man Sankt Gallus in Saint-Gall dann vor allem für die Gesundheit des Viehs an. Die Wallfahrt blühte. Am Gallustag, der in der Gegend noch bis in die Zwischenkriegszeit ein arbeitsfreier Feiertag war, vermochte die Kapelle die Pilgerscharen jeweils nicht zu fassen. Das Volk versammelte sich außerhalb der Kapelle, und der Priester predigte von einer mobilen Kanzel. Nach dem Gottesdienst wurde das Gallebrot (Gallusbrot) verteilt, das die Pilger mit nach Hause nahmen und an ihr Vieh verfütterten. So hoffte man, Sankt Gallus werde die Tiere und ihre Halter vor Schaden behüten.

Die Wallfahrt nach Saint-Gall wurde bis in die Zeit des Ersten Weltkriegs gehalten. 1923 gehörte das Anwesen mit Kapelle und ehemaliger Einsiedelei einem Industriellen aus Saverne, der einige Umbauten vornehmen ließ. Auch heute noch befinden sich Kapelle und Nebengebäude in Privatbesitz und werden gut erhalten.


Literatur

Abteikirche Saint Martin. 12.,13. und 18. Jahrhundert, 67 – Marmoutier, [o. O.] [o. J.].

Barth, Médard, Handbuch der elsässischen Kirchen im Mittelalter, in: Archives de l’Eglise d’Alsace NS XI-XIII (1960-1963).

Billing, Jules, Die Heiligen der Diözese Strassburg, Colmar 1957.

Ehrmann, Jean Marie; Oberlé, Arthur; Ritt, Jean Louis, Bildstocks et croix du ban de Thal-Marmoutier et alentours concernant des habitants de Thal – Schwebwiller – St.Gall, Bouxwiller 2012.

Fischer, Marie-Thérèse, Pèlerinages et piété populaire en Alsace, Strasbourg 2003.

Fischer, Marie-Thérèse, Saints, guérisseurs et protecteurs en Alsace, Strasbourg 2011.

Guggenbühl, Willy, Weitbruch. Chronik einer elsässischen Landgemeinde, Saverne 1962.

Humm, André, Villages et hameaux disparus en Basse-Alsace. Contribution à l’histoire et l’habitat rural (XIIe-XVIIIe siècles), Strasbourg 1971.

Humm, André; Wollbret, Alphonse, Villages disparus d’Alsace. De la Bruche à la Sarre, des Vosges à la forêt de Haguenau, in: Société d’hisoire et d’archéologie de Saverne et Environs – Bulletins trimestriels 37-39 (1962), S. 3–68.

Kalck, Christelle, Die Abteikirche von Marmoutier, Saverne 2000.

Staerkle, Paul, Von den Sankt Gallus-Patrozinien, in: Bischöfliches Ordinariat und Katholischer Administrationsrat St.Gallen (Hg.), Sankt Gallus Gedenkbuch. Zur Erinnerung an die Dreizehnhundert-Jahr-Feier vom Tode des heiligen Gallus am 16. Oktober 1951, St.Gallen 1952, S. 48–74.

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Stand: Dezember 2017