Cagnò

Unter einer hohen Felswand zwischen dem Wildbach Pescara und dem Dorf Cagnò im italienischen Trentino stand einst eine Einsiedelei, deren Kapelle Sankt Gallus geweiht war. (2016)
Nur die direkt an den Felsen gebaute Chorwand der einstigen Sankt Gallus-Kapelle ist erhalten geblieben. (2016)
Die Lage der Einsiedelei ist eindrücklich, fast furchteinflößend. Sie übte wohl schon immer eine Anziehung auf die Menschen aus und führte dazu, dass sie die Einsiedler von San Gallo oft besuchten. Darauf hatte der Bischof von Trient bei der Wahl des Eremiten zu achten. (2016)
1579 erhielt der damalige Eremit von San Gallo den Auftrag, eine Mauer um seine Kapelle zu bauen, um die Sicherheit der Besucher gewährleisten zu können. Die bischöflichen Visitatoren hatten den Standort der Einsiedelei zuvor als »sehr gefährlich und abschüssig« eingestuft. (2016)
Heute führt der Weg zur Einsiedelei teils durch malerische Obstgärten, teils durch schwieriges Wald- und Felsgelände. Er wurde von der Gemeinde Cagnò gut ausgebaut, so dass sich das Ziel gefahrlos erreichen lässt. (2016)
Der Einstieg zum gut ausgeschilderten Wanderweg, auf dem man die Einsiedelei San Gallo in etwa einer Viertelstunde erreichen kann, liegt direkt bei der Bushaltestelle Cagnò – Terrazza Dei Sapori. In der Nähe gibt es auch einen Parkplatz. (2016)
Auf dem Weg zur Einsiedelei San Gallo in Cagnò eröffnen sich dem Wanderer – selbst bei schlechtem Wetter – wunderbare Ausblicke auf die Umgebung des Lago di Santa Giustina. (2016)

Im malerischen Val di Non (Nonstal) in der italienischen Provinz Trentino gibt es zahlreiche alte Einsiedeleien zu entdecken. Der berühmteste Eremit der Region war zweifellos Sankt Romedius, der einen Bären gebändigt haben und auf ihm zum Bischof von Trient geritten sein soll. Während sich die Zelle des heiligen Romedius zu einem wichtigen Wallfahrtsort und einem Kloster entwickelte, sind andere Einsiedeleien im Laufe der Zeit wieder aufgegeben worden. So auch jene unweit des Dorfs Cagnò, deren Kapelle dem heiligen Gallus geweiht war. Heute ist nur noch die Chorwand der einstigen Sankt Gallus-Kapelle erhalten. Sie liegt unter einem mächtigen, überhängenden Felsen unterhalb von Cagnò, wo der Wildbach Pescara in den Stausee Santa Giustina mündet.

Die Einsiedelei San Gallo wird in einem Dokument vom 8. Dezember 1478 erstmals schriftlich erwähnt. Darin baten die Dorfbewohner von Cagnò ihren Bischof, er möge doch den Kaplan von Arsio, Giacomo Nascombene, mit der Betreuung der Sankt Gallus-Kapelle beauftragen. Nascombene sei ein ehrbarer Landsmann und von guten Sitten, wogegen man mit den Waldbrüdern, die sonst oft die Einsiedelei besetzten, schon schlechte Erfahrungen gemacht habe. Kapelle und Einsiedelei scheinen damals also schon längere Zeit bestanden zu haben, und offenbar wurden hier bisweilen recht kauzige Klausner ›versorgt‹.

Wer die Einsiedelei San Gallo gegründet hat und wann, wissen wir nicht. Vielleicht war sie einst, wie auch einige andere Einsiedeleien der Region, ein Außenposten der Abtei Santa Maria di Campiglio (in Madonna di Campiglio). Für eine Eremitenkirche war das Galluspatrozinium jedenfalls eine passende Wahl, war doch auch der heilige Gallus einst als Einsiedler ins Steinachtal gezogen.

In alten Dokumenten des Bistums Trient wird die Sankt Gallus-Zelle bisweilen auch als Priorat bezeichnet, so beispielsweise im Jahr 1491, als Bischof Ulrich von Frundsberg den aus Longville in der Diözese Metz stammenden Nikolaus Bulichen hier investierte. Bulichen erhielt den Auftrag, die Einsiedelei zu erneuern und dort persönlich Wohnsitz zu nehmen, was er offenbar auch tat. Im Jahr 1500 wurde er von San Gallo abberufen, da er aus Altersschwäche nicht mehr in der Lage war, in der rauen Umgebung den Gottesdienst zu erfüllen. Auf ihn folgten weitere Eremiten, bis die Einsiedelei in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts aufgegeben und danach abgerissen wurde, um nicht als Unterschlupf für Landstreicher und Kriminelle zu dienen.


Panorama
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Literatur

Erhart, Peter; Kuratli Hüeblin, Jakob; Oberholzer, Paul, 1400xGallus, St.Gallen 2012.

Staerkle, Paul, Von den Sankt Gallus-Patrozinien, in: Bischöfliches Ordinariat und Katholischer Administrationsrat St.Gallen (Hg.), Sankt Gallus Gedenkbuch. Zur Erinnerung an die Dreizehnhundert-Jahr-Feier vom Tode des heiligen Gallus am 16. Oktober 1951, St.Gallen 1952, S. 48–74.

Weber, Simone, L’eremitaggio di S. Gallo presso Cagnò, in: Rivista Tridentina XI (1911), S. 166–170.

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Stand: Dezember 2017